Speed Reading – was steckt dahinter

peter.stonn@improved-reading.deAllgemein

Der Begriff „Speed Reading“ deutet bereits an: Es geht um Tempo! In den meisten Fällen werden darunter Techniken zusammengefasst, die auf Tony Buzan zurückgehen und Lesegeschwindigkeit vor allem durch Weglassen erhöhen: Querlesen, Diagonallesen, Slalomlesen usw.

Sicherlich gibt es einige sinnvolle Anwendungsmöglichkeiten für derartige Speed Reading-Techniken. Oft genügt in der Tat eine grobe Übersicht über ein Thema. Es sind einfach zu viele Informationen, die im Alltag auf uns einstürmen. Wir müssen nicht alles bis ins tiefste Detail verstehen. Wenn wir die genauen Aussagen nicht unmittelbar benötigen, speichern wir auf diese Weise einfach ab, dass es einen Text mit diesen Informationen gibt. Bei Bedarf und mit guter Ablagetechnik kann nachträglich immer noch nachgelesen werden.

Im Rahmen des Improved Reading-Trainings werden auch solche Techniken vermittelt, die ein „Überblickslesen“ ermöglichen. Darunter verstehen die meisten Menschen „Speed Reading“. Damit ist vor allem die sogenannte Vorausschau gemeint. Bevor ein Text gelesen wird, müssen folgende Fragen vorerst geklärt werden: Worum geht es eigentlich? Wo steht das Wichtigste? Was ist zu diesem Thema bereits bekannt (eigenes Vorwissen)?

Bei einer solchen Vorausschau auf den Text werden, ähnlich wie beim Speed Reading, wichtige Sinnsignale aufgenommen. Dazu gehören Überschriften, Diagramme, Bilder, Tabellen oder Hervorhebungen. Vereinfacht gesagt: alles, was anders aussieht als der Fließtext. Darin verbergen sich schon sehr viele Informationen, die genaue Hinweise auf den Inhalt liefern: relevante Themen, die Reihenfolge dieser Themen, ihre Gewichtung und Strukturierung. Zudem fallen uns oft auch innerhalb des Fließtextes viele Sinnsignale auf: lange, sperrige Wörter, Namen, Zahlen, Paragraphen etc. Diese Informationen helfen ebenfalls, sich auf den Lesevorgang einzustimmen.

Oft kann auf diese Weise bereits ausgeschlossen werden, was gar nicht gelesen werden muss, weil es einfach nicht relevant erscheint. „Nicht-lesen-müssen“ ist natürlich eine deutliche Zeitersparnis und definitiv die höchstmögliche Lesegeschwindigkeit ;-). Zudem wird so Zeit gewonnen für Textstellen, die intensiv bearbeitet werden müssen.

Eine Vorausschau ist als Vorbereitung aufs eigentliche Lesen unentbehrlich – und manchmal genügt sie auch schon. Aber das kann nicht alles sein, was man über schnelles, effizientes Lesen aussagen kann. Denn ebenso wie die Vorausschau ist Speed Reading im Grunde noch gar kein richtiges Lesen, sondern eben eine Art „intelligentes Weglassen“.

Häufig sind uns aber ein gutes Textverständnis und ein verantwortungsbewusster Umgang mit Texten wichtig. In solchen Fällen kann das Weglassen nur an solchen Stellen stattfinden, wo wir uns sicher sind, dass sie nichts für anstehende Aufgaben oder Prüfungssituationen enthalten. Lücken an den entscheidenden Stellen sind dagegen meist tabu.

Schnell lesen – und trotzdem alles lesen

Wo gutes Verständnis erforderlich ist, ist eine vollständige Texterfassung klüger. Ab hier sind die Techniken des Speed Reading deutlich überfordert.

Das heißt jedoch nicht, dass Sie dann nur noch langsam lesen müssen. Auch das vollständige Lesen geht deutlich schneller – sofern Sie die richtigen Blickprozesse anwenden, nämlich:

  • breites Fokussieren mehrerer Wörter pro Blickstopp,
  • eine klare Vorwärtsorientierung und
  • mehr „visuelles Erfassen“ (statt Mitsprechen)

So können Sie Geschwindigkeiten erreichen, die deutlich über der der Durchschnittsleser liegen. Dabei erzielen Sie sogar besseres Verständnis. Und bei Bedarf gewinnen Sie Zeit, um mehrfach zu lesen. Denn für das Verständnis ist es tatsächlich besser, zweimal zügig, als einmal langsam zu lesen. Probieren Sie es einfach aus! So würde der Begriff „Speed Reading“ dann doch wieder Sinn machen.

Es ist allerdings ein weit verbreitetes Missverständnis, dass nur das Weglassen schnelles Lesen ermöglicht und es somit zwangsläufig auf Kosten des Verständnisses geht. Das Konzept des „Speed Reading“ befördert dieses Missverständnis leider stark, weil es eben allein den „Mut zur Lücke“ in den Fokus rückt. Das erhebliche Effizienz-Potenzial beim vollständigen Lesen wird damit ausblendet.

Erfahren Sie mehr zum wissenschaftlicher Hintergrund.