Speed Reading – worauf kommt es an

peter.stonn@improved-reading.deAllgemein

„Speed Reading – wenn ich es doch nur könnte!“ Viele träumen davon. Wir nicht. Wir erklären, wie es funktioniert.

Bei uns heißt es allerdings nicht Speed Reading, sondern: „Schneller lesen – besser verstehen“. Das klingt vielleicht nicht ganz so flott, weist aber auf einen weiteren wichtigen Faktor hin: das Verständnis! Denn „Speed“ allein genügt nicht, um in der (Blei-)Wüste an’s Ziel zu kommen. Ohne Technik und genaue Zielvorstellungen bleibt man im Sand genauso stecken wie in einem Text – oder hat lange Durststrecken zu überwinden…

Bevor es los geht mit dem Speed Reading…

Schneller lesen lernt man nur, wenn man zuvor genau beobachtet, warum der eigene Leseprozess so schleppend abläuft. Viele Menschen beschreiben dabei z.B. folgende Erfahrungen – vielleicht kennen Sie die auch:

  • Haben Sie manchmal Mühe, sich auf das Lesen zu konzentrieren?
  • Wandern Ihre Gedanken oft vom Text ab, und Sie ertappen sich schließlich bei Tagträumen?
  • Ärgern Sie sich regelmäßig, dass Sie sich Texte so schlecht merken können?
  • Vergeuden Sie immer wieder unnötig Zeit für unwichtige Texte?
  • Zählen Sie oft ungeduldig die restlichen Seiten, wenn Sie sich durch einen anspruchsvollen Text quälen?
  • Werfen Sie (zu) viele wichtige Informationen ungelesen weg, weil Sie das Wichtige nicht schnell genug herausfiltern konnten?
  • Treffen Sie manchmal Entscheidungen/Beurteilungen verzögert oder auf zu „wackeliger“ Grundlage, weil Sie für einige Informationen keine Zeit mehr fanden?

Diese Begleiterscheinungen sind klare Symptome für ein ineffizientes Lesen. Aber sie gelten oft als so normal, dass sie nicht nur unreflektiert akzeptiert werden, sondern auch eine große Skepsis herrscht, ob man sie wirklich vermeiden kann. Man kann! Doch wie bei vielen vergleichbaren Themen ist dies mit einer Veränderung der „lieben Gewohnheiten“ verbunden. Auch Lesen ist etwas sehr Persönliches und basiert auf individuellen Mustern, die der Mensch grundsätzlich ungern verändert. Man fürchtet,  „das Neue“ könne nicht genauso gut funktionieren wie das Gewohnte, und deshalb wird oft lieber an dem Vertrauten – mit all seinen Defiziten – festgehalten.

Speed Reading plus Verständnis = Lese-Effizienz

Wenn ein Sportler sein Potenzial besser ausschöpfen möchte, arbeitet er bewusst an seiner Technik. Genauso lässt sich auch das Lesen in erster Linie durch ein gezieltes Techniktraining verbessern! Wie immer bei solchen Prozessen bedarf es zunächst einer Definition bzw. einer Begrifflichkeit, mit deren Hilfe sich die neuen (anzustrebenden) Muster von den alten unterscheiden lassen.

KRITERIEN FÜR LESE-EFFIZIENZ

Eine qualitative Aussage zur Lesekompetenz stammt von Prof. Jürgen Baumert, der die erste PISA-Studie mit verantwortet hat: „Eine der zentralen Schlüsselqualifikationen ist […] schnelles, ökonomisches und verständiges Lesen.“

„Schnell“ – Diese Definition klingt  vielleicht  überraschend. In der Schulzeit  sollten wir doch oft „schön langsam“ lesen, um den Text zu verstehen. Damit wird jedoch die Wichtigkeit einer guten Grundgeschwindigkeit beim Lesen völlig verkannt. Das Lesen lässt sich eher mit dem Radfahren vergleichen: Wer zu langsam fährt, fällt leicht um. Wer langsam liest, fällt regelrecht aus dem Text heraus, weil er spätestens am Ende eines Satzes den Beginn schon wieder vergessen hat. Dadurch schweifen die Gedanken ab, bis der Leser auf einmal merkt: „Ich bin ja gar nicht mehr bei der Sache!“ Dagegen erhöht zügiges Lesen (mit den richtigen Techniken) die Konzentration und damit das Textverständnis.

Ökonomisch: (Lese-)Aufwand und Ertrag (Textkenntnis) sollten in einem günstigen Verhältnis stehen. Zeit und Kraft müssen also durch ein gut geplantes Vorgehen und durch ökonomische Techniken sinnvoll eingesetzt werden.

Verständig: Dieses Kriterium scheint banal zu sein – doch eine wirklich konsequente Umsetzung ist nicht leicht! Viel zu oft stürzen sich Leser ohne jeden Plan in einen schwierigen Text und bleiben schon auf der ersten Seite stecken. Dann haben sie keine Lust mehr weiterzulesen, ohne dass sie genau sagen könnten, warum ihnen die Aufmerksamkeit abhanden gekommen ist. Nur wer mit konkreten Fragen im Kopf liest, wird dem Text die zentralen Informationen gezielt und rasch entnehmen können.

Zwei dieser Kriterien lassen sich durch Lesetests quantitativ erfassen:
  1. das Lesetempo, gemessen in Wörtern pro Minute (WpM) und
  2. das Verständnis, gemessen an dem Prozentsatz richtiger Antworten auf Fragen, die im Anschluss an eine Textlektüre zu dem Inhalt gestellt werden.

Durch eine Kombination dieser beiden Faktoren wird die sog. Effective Reading Rate (ERR) errechnet – ein Begriff, mit dem international Lese-Effizienz gemessen wird. Die Verbesserung der Lese-Effizienz kann durch ein Training bereits innerhalb von zwei Tagen erreicht und durch den Indikator ERR zahlenmäßig dargestellt  werden!

Das ökonomische Erfassen von Inhalten ist besonders dann erforderlich, wenn große Textmengen auf ihre Relevanz hin geprüft werden müssen. Unmöglich kann man immer alles lesen oder gründlich studieren. Den wesentlichen Ertrag herauszuziehen, dabei aber nichts zu übersehen, gelingt nur durch die Kombination von effizienten Lesetechniken und -strategien. Beides kann man lernen – eigenständig messen lässt es sich nicht. Die Wirksamkeit dieser Kompetenzen wird jedoch im Alltag sichtbar, wenn jemand mit hohem Lesetempo permanent ein gutes Textverständnis  erzielt.

Mit welchen Techniken lassen sich diese Kriterien umsetzen? Die Antwort darauf hat die wissenschaftliche Beobachtung von guten und schlechten Lesern gegeben. Der Unterschied ihres Leseverhaltens besteht im Wesentlichen darin, dass die guten Leser das gesamte Potenzial nutzen, das ihnen als Erwachsene zur Verfügung steht. Schlechte Leser hingegen behindern sich – ohne es zu bemerken – dadurch, dass sie sich noch nicht konsequent genug vom Modus ihrer Grundschultechniken entfernt haben. Selbstverständlich sind sie etwas schneller. Sie schleppen aber noch zu viele Elemente aus dieser Anfangszeit mit sich herum, die auf ein effizientes Lesen natürlich noch gar nicht ausgerichtet war.

POTENZIALE EINES ERWACHSENEN BEIM LESEN

Die Überlegenheit eines Erwachsenen gegenüber einem Kind zeigt sich generell in folgenden Kompetenzen:

  • ein größerer Wortschatz/mehr Wissen
  • ein höheres Abstraktionsvermögen
  • ein breiteres Blickfeld/bessere willkürliche Blicksteuerung
  • ein reich gefülltes „mentales Lexikon“ (das Wortgedächtnis, in dem alle inhaltlichen, formalen und funktionalen Informationen über ein Wort gespeichert sind).

Werden diese Möglichkeiten jedoch nicht rechtzeitig – d.h. etwa ab der Pubertät – genutzt, entwickeln sich einige Techniken aus der Anfangszeit des Lesens zu Gewohnheiten. Diese stellen für den Erwachsenen eine massive Bremse dar.

Schneller lesen – besser Texte verstehen!

Bei allen drei typischen Lesefehlern sehen Sie also, wie sich die Fähigkeit, Texte zu verstehen, mit einer angemessenen Steigerung des Lesetempos verbindet. Und es kommt noch etwas hinzu: Wenn Sie mithilfe dieser verbesserten Lesetechniken Ihr Lesetempo steigern, verringert sich automatisch Ihre Neigung, beim Lesen mit Ihren Gedanken zu ganz anderen Themen (oder Wahrnehmungen) abzuschweifen. Wenn wir im normalen Tempo lesen, ist unser Gehirn nämlich schlichtweg nicht genügend ausgelastet – und sucht sich dann andere (oft spannendere) Themen. Probieren Sie es aus: Lesen Sie schneller (auf die richtige Weise, siehe oben), und Sie werden sich viel besser konzentrieren können … eine ganz wichtige Voraussetzung, um Texte zu verstehen!

Hemmschuhe des effizienten Lesens – drei Hauptlesefehler

Es sind im Wesentlichen drei Lesegewohnheiten, die einen Erwachsenen am effizienten Lesen hindern:

  • Subvokalisieren
  • Regression
  • Mangelhafte Fixierung

SUBVOKALISIEREN

Subvokalisieren bedeutet, einen Text beim Lesen mitzusprechen, d.h. durch ein stilles „Mitlesen“ im Kopf („mentales Mithören“). Das Subvokalisieren ist ein Überbleibsel aus der Anfangszeit des Lesens. Es diente damals der Kontrolle durch den Lehrer, unterstützte aber auch das Verständnis des Leseanfängers: Durch das laute Vorlesen hörte er die Wörter noch einmal, konnte sie also zusätzlich mit einem zweiten Sinneskanal aufnehmen.

Das Subvokalisieren hat jedoch den Nachteil, dass es die Lesegeschwindigkeit an die Sprechgeschwindigkeit bindet. Bei einem stimmhaften „Mitmurmeln“ gelangt der Leser kaum über 250 WpM hinaus, beim „mentalen Mithören“ erreicht er immerhin noch 350 WpM. Für Kinder sind das (sehr) gute Werte – für einen Erwachsenen nicht. Der effiziente Leser beginnt erst jenseits von 350 WpM.

Das Subvokalisieren radikal ausschalten zu wollen, wäre allerdings kein sinnvolles Ziel. Selbst der geübte Leser braucht partiell diese Hilfestellung. Er spricht aber nur ausgewählte Teile innerlich mit: in erster Linie die sinntragenden oder komplizierten Wörter, Fremdwörter oder neue Begriffe. Andere Wörter, vor allem diejenigen, die er als erwachsener Leser schon millionenfach gesehen hat, sind ihm so vertraut, dass er sie bereits beim bloßen Hinsehen verstehen kann („visuelles Begreifen“). Auch der effiziente Leser kombiniert also die beiden Sinneskanäle Sehen und Hören – reduziert aber das Mithören auf das Notwendige. Durch diese differenzierte Technik erhöht sich die Lesegeschwindigkeit erheblich.

REGRESSION

Regression bedeutet in unserem Zusammenhang: Der Leser springt innerhalb eines Textes immer wieder auf Wörter bzw. Sätze zurück, die er bereits gelesen hat. Auch dieses Verhalten ist charakteristisch für einen Leseanfänger, der ein verständliches Bedürfnis nach Absicherung bzw. wiederholter Vergewisserung spürt. Außerdem führt sein langsames Lesetempo dazu, dass er am Ende des Satzes den Inhalt nicht mehr komplett im Kopf hat und allein deshalb schon Rücksprünge vornimmt.

Diese ständige Absicherung wird leicht unbemerkt zur Gewohnheit, so dass auch der erwachsene Leser meint, nicht darauf verzichten zu können. Die Nachteile der Regression sind aber offensichtlich:

  • sie verlangsamt das Lesetempo erheblich
  • sie verändert die Satzlogik, weil sie willkürlich den Satzbau umkrempelt
  • das Textverständnis wird erschwert, weil das Gehirn den Sinn immer wieder neu ordnen muss
  • die Merkfähigkeit ist schlechter, weil der Kontext ständig zerrrissen wird
  • die Gedanken schweifen ab, weil die Aufmerksamkeit für den Text schwindet.

Nur durch eine kontinuierliche Vorwärtsorientierung beim Lesen lässt sich der Text schnell bewältigen und gut behalten. Da das Gehirn auf der Ebene der Wahrscheinlichkeit die kommenden Aussagen immer schon antizipiert, kann es den jeweils neuen Text am besten integrieren, wenn es im vorgesehenen Kontext bleiben darf.

MANGELHAFTE FIXIERUNG

Die meisten Menschen haben bei dem Lesevorgang das Gefühl, dass ihre Augen  ganz glatt über die Zeilen gleiten. Die physische Realität ist aber: Die Augen springen die Zeile entlang – immer von einer Textstelle zur nächsten. Bei der „Landung“ (Fixierung) nehmen sie Text auf, während die Sprünge (Sakkaden) gar nicht bewusst registriert werden, weil sie nur wenige Millisekunden dauern. Die Blickspanne (Fokus) eines Erwachsenen beträgt 3 – 3,5cm, d.h. wir können alle Wörter auf dieser kleinen „Textstrecke“ mit einem Blick scharf sehen – und also auch lesen! Das Ziel ist, jeweils solche Wörter simultan zu erfassen, die auch vom Sinn her eng zusammengehören. Man nennt das Sinngruppen-Lesen oder auch Lesen in „Chunks“. Dieses „Chunking“ hat mehrere Vorteile. Es:

  • beschleunigt das Lesetempo
  • unterstützt das Verständnis
  • verhindert die Regression, da der Text besser verstanden wird
  • reduziert das Subvokalisieren bzw. unterstützt das selektive mentale Mithören, da man zwar mehrere Wörter gleichzeitig verstehen, aber nicht parallel aussprechen kann.

Eine mangelhafte Fixierung bedeutet, dass ein Erwachsener nicht in Chunks liest, sondern – mit engem Fokus – immer noch das Wort-für-Wort-Lesen praktiziert, wie er es aus der Anfangszeit seines Lesens gewohnt ist. Zusätzlich ist dies oft mit einem unsystematischen „Huschen“ über den Text verbunden, da das Bedürfnis nach schnellem Tempo zwar vorhanden ist, nicht aber die Technik, mit der es sinnvoll umgesetzt werden kann.

Training und Automatisierung zählen – auch beim Lesen!

Effiziente Techniken kann man durch regelmäßige Übung und Anwendung genauso automatisieren wie Bewegungsmuster beim Sport oder bei zahllosen Alltagshandlungen (z.B. Schnürsenkel binden, Autofahren, Weinflasche öffnen). Das Automatisieren ist wesentlich für die Effizienz, da wir für das Bewältigen einer Aufgabe jeweils nur über ein begrenztes Maß an Informationsverarbeitungskapazität verfügen. Je weniger davon durch Basistechniken in Anspruch genommen wird, umso mehr intellektuelle Kapazität steht für die Inhalte zur Verfügung. Ein Profi-Fußballspieler kann sich ganz auf die Strategie konzentrieren, mit der er seinen Gegner austricksen möchte – er muss nicht erst überlegen, wie er Fuß und Ball am besten koordiniert. Das hat er zuvor beim Training tausendmal geübt.

Auch für die Verbesserung der Lesekompetenz sollte der Wert eines Trainings viel stärker in das allgemeine Bewusstsein gerückt werden. Laufen die effizienten Techniken erst einmal automatisch ab, kann sich die Aufmerksamkeit nahezu ungeteilt auf die Inhalte konzentrieren. Zum Lesen sollte man deshalb nicht nur mit gut gemeinten Angeboten motivieren. Lesefähigkeit sollte man in erster Linie trainieren – wie jede Technik!

Wie wird man ein effizienterer Leser?

Subvokalisieren bedeutet, einen Text beim Lesen mitzusprechen, d.h. durch ein stilles „Mitlesen“ im Kopf („mentales Mithören“). Das Subvokalisieren ist ein Überbleibsel aus der Anfangszeit des Lesens. Es diente damals der Kontrolle durch den Lehrer, unterstützte aber auch das Verständnis des Leseanfängers: Durch das laute Vorlesen hörte er die Wörter noch einmal, konnte sie also zusätzlich mit einem zweiten Sinneskanal aufnehmen.

…und funktioniert Speed Reading wirklich?

Welch beeindruckende Ergebnisse ein Schnelllesetraining bei Erwachsenen – und sogar bei Legasthenikern – haben kann, zeigt eine Studie, über die im Jahr 2013 der Artikel von Jan Dönges berichtet: „Erwachsene profitieren vom Schnelllesetraining“. Hier werden Erfahrungen geschildert, wie sie auch regelmäßig die Tests in den Seminaren von Improved Reading beweisen: Schnelleres Lesen führt zu einem besseren Textverstehen!


Eine detaillierte Beschreibung sämtlicher Lesetechniken, Lesestrategien (inkl. Gedächtnis) und der Vorausschau finden Sie übrigens in unserem Bestseller-Buch “Schneller lesen – besser verstehen”. Oder Sie entscheiden sich gleich, dies alles im Rahmen des zweitägigen Intensivtrainings “Improved Reading” zu erlernen. So bringen Sie Ihre Fähigkeit, Texte zu verstehen, sofort und nachhaltig auf ein deutlich höheres Niveau.