Digitalisierung am Arbeitsplatz

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt sind ein brandaktuelles Thema. In diesem Beitrag erfahren Sie, warum Digitalisierung Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Sorgen bereitet und wie mit Aufklärung Ängsten begegnet werden kann. Außerdem erfahren Sie, welche praktischen Ansätze es gibt, Beschäftigte bei Ihren Befürchtungen abzuholen.

Lesen Sie zudem, welche konkrete Hilfestellung Personalverantwortliche, Betriebs-/Personalräte sowie das Gesundheitsmanagement in Unternehmen und Behörden leisten können und müssen, um die Akzeptanz für die Konsequenzen der Digitalisierung zu erreichen.

Kurzum: Digitalisierung aus Sicht Personalverantwortlicher statt aus der IT-Perspektive.

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Was bedeutet der Begriff „Digitalisierung“ überhaupt?

Einer der Gründe, warum Digitalisierung vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Sorgen bereitet, ist sehr einfach. Es ist oft unklar, was damit genau gemeint ist und daher, welche Auswirkungen es  auf den eigenen Arbeitsplatz haben kann.

In der Praxis fällt der Begriff „Digitalisierung“ in zwei verschiedenen Zusammenhängen:

  1. Als Überführung analoger/physischer Objekte oder Medien in digitale Form.
  2. Als Transformation von Prozessen in der Arbeitswelt.   

Im ersten Fall kann es sich beispielsweise um das „Digitalisieren“ einer Schallplatte handeln, um die Musik im mp3-Format auch im Auto zu hören.

Die zweite Definition klingt deutlich abstrakter, zumal doch bereits seit vielen Jahren die meisten Arbeitsplätze mit Computern ausgestattet sind. Und genau hier gewinnt das Wort „Prozesse“ die entscheidende Bedeutung.

Beispiel:

Ein plakatives Beispiel stellt der Malermeister dar. Früher kam er zum Kunden, maß mit einem Zollstock den Raum aus und berechnete mit einem Taschenrechner die Fläche. Er schlug im Büro im Katalog des Farblieferanten die Preise nach und schrieb dann auf seinem PC mit MS Word ein Angebot. Anschließend speicherte er es auf (s)einer lokalen Festplatte. Das Angebot kam beim Kunden nach Tagen an.

Stunden der Mitarbeiter auf der Baustelle und den Materialverbrauch hielt er später auf einem Formblatt manuell fest. Zurück im Büro verkalkulierte er daraufhin mit Excel die Rechnung anhand der Papieraufzeichnungen und kopierte diese in ein Word-Dokument ein. Anschließend ging die Kopie der Rechnung an den Steuerberater. Die Forderungen an den Kunden hielt man in einer separaten Excel-Tabelle fest und glich sie mit den im Bank-Foyer gezogenen Kontoauszügen ab. Irgendwie digital war das auch schon, oder?

Im Zeitalter der fortgeschrittenen Digitalisierung erhält der Maler den Aufmaß vom Eigentümer oder Architekten als CAD-Datei. Oder er setzt einen mobilen 3D-Laser-Scanner ein, der die Daten direkt an sein Tablet sendet. Die App dort liest die täglich aktuellen Preislisten der Lieferanten über das Internet ein. Sie erlaubt sogar bei Bedarf vor Ort ein Angebot zu präsentieren. Die Arbeitsstunden auf der Baustelle hielt man später über die Cloud auf den Smartphones der Mitarbeiter fest. Sie wurden in dem Auftragsprogramm dahinter dem richtigen Projekt automatisch zugeordnet. Der Meister hat so stets einen aktuellen Überblick über alle betreuten Baustellen. Rechnungen werden aus dem System heraus automatisch generiert und an das Rechnungswesen übertragen. Offene Forderungen werden zudem jederzeit über eine Schnittstelle zur Bank aktualisiert und Zahlungserinnerungen bei Fristablauf erstellt.

In beiden Fällen wurde somit eine Wand gestrichen. Die Qualität hängt immer noch von den Mitarbeitern vor Ort ab. Allerdings haben sich nur die gesamten Prozesse im Unternehmen drum herum durch die „Digitalisierung“ verändert. 

Konsequenzen der Digitalisierung am Arbeitsplatz

In dem beschriebenen Beispiel werden die Vorteile der Digitalisierung schnell klar. Alles läuft effizienter ab. Aber: Zum einen entstehen viel mehr Schnittstellen zwischen Mensch und IT und zum anderen muss man gewohnte Arbeitsabläufe an einigen Stellen verändern. D.h. man muss nicht nur die Technik beherrschen, sondern auch Gewohnheiten verändern. Nur, wenn Beides funktioniert, funktioniert Digitalisierung.
Welche konkreten und erlebten Konsequenzen der Digitalisierung gibt es aber bei typischen Büroarbeitsplätzen? Hier einige Beispiele:

  • Informationsflut verbunden mit laufender Aktualisierung/Änderung der Informationen führt oft zu dem Gefühl, es nicht mehr schaffen zu können. Das verursacht massiven Stress und frustriert.
  • Zu viele Informationen führen dazu, dass sie in der vorgegeben oder verfügbaren Zeit nicht gelesen werden können.
  • Damit werden Entscheidungen nicht fundiert getroffen.
  • Der Körper wird belastet – insbesondere Augen und Rücken.
  • Beobachtbare (oder befürchtete) Effizienzsteigerung erzeugt den Eindruck leichter Ersetzbarkeit.
  • Das Gehirn geht mit digital, d.h. zumeist auf dem Bildschirm präsentierten Informationen, anders um, als auf Papier.
  • Manchmal gab es zuerst eine technische Lösung und danach erst die Idee, wie man damit am besten „zwischenmenschlich“ umgeht (siehe E-Mail und E-Mail-„Knigge“).

Personalentwicklung und Umgang mit Digitalisierung

In vielen Unternehmen und Behörden diskutiert man bereits intensiv darüber, wie mit den Auswirkungen der Digitalisierung umgegangen werden soll. Für die technischen Aspekte können Lösungen schnell gefunden werden. Neue Software und Software-Schulungen. Für die menschliche Komponente sind Ansätze rar.
Digitalisierung ist eben kein reines IT-Thema! Gerade wenn es um Arbeitsprozesse geht, fällt der Personalentwicklung eine Schlüsselrolle zu. Zudem muss Einiges mit Betriebs-/Personalrat und dem Gesundheitsmanagement abgestimmt werden. Der Druck, gute Ansätze zu finden, wächst.

Konkrete Aufgabenstellung

Neben technischen Ansätzen ist es entscheidend, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Ihren Sorgen und Ängsten abzuholen. Digitalisierung darf für sie nicht als Worthülse im Raum schweben. Sie muss für die eigene Organisation übersetzt und mit Inhalten gefüllt werden. „Was bedeutet Digitalisierung für unseren Betrieb/unsere Behörde?“. Diese Frage ist den Beschäftigten gegenüber konkret zu beantworten. Dafür bedarf es „Aufklärungskampagnen“ wie sie z.B. beim Arbeitsschutz seit vielen Jahren üblich sind.

Nur die wenigsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind bereits „Digital Natives“. Die meisten nutzen Arbeitstechniken und Gewohnheiten aus analogen Zeiten. Diese Menschen müssen nun alte Gewohnheiten durch neue ersetzen. Das ist immer schwierig und löst zunächst Abwehrreaktionen aus. Darüber hinaus kann vielen Herausforderungen der Digitalisierung nur durch einen Wechsel von fest verankerten Paradigmen begegnet werden. Gerade dies ist die besondere Aufgabe der Personalentwicklung. 

Die folgenden Aussagen verdeutlichen, wie sich die „Schnittstelle“ zwischen Mensch und IT im Alltag auswirkt:

„Ich soll weniger ausdrucken, aber Lesen am Bildschirm ist deutlich anstrengender.“

„Ich schaffe es einfach nicht mehr, all das zu lesen, was ich lesen müsste, um meine Entscheidungen fundiert zu treffen. Und schließlich ist alles irgendwie wichtig!“

„Was kann ich für meine Augen tun, wenn ich den ganzen Tag am Bildschirm arbeite?“

„Viele Texte (vor allem E-Mails) sind schlecht geschrieben. Es kostet viel Zeit, die relevanten Aussagen zu finden und zu verstehen.“

„Auf Papier konnte ich schnell und einfach markieren und Anmerkungen schreiben. Wie soll ich das bei den vielen, oft verlinkten Texten machen?“

Diese Probleme sind keinesfalls banal. Sie verdeutlichen vielmehr, was man mit Software-Schulungen nicht erreichen kann. Aber es sind genau die Dinge, die die Akzeptanz so schwierig machen.

Praktische Lösungsansätze für die Auswirkungen der Digitalisierung

Wie kann man die Akzeptanz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erleichtern? Und was hilft, die „Schnittstelle“ zu der digitalen Welt in Form geeigneter Arbeitsweisen zu gestalten?

Zusammenfassend sind vier Aspekte zu berücksichtigen:

  • Gehirngerechter Umgang mit digitalen Informationen.
  • Bildschirmgerechte Lesetechniken.
  • Entlastung für die Augen.
  • Effiziente Kommunikation.

Die Beschäftigten sollten die Besonderheiten der Verarbeitung digitaler Informationen im Gehirn nicht nur verstehen. Entscheidend ist, dass sie die daraus resultierenden optimalen Vorgehensweisen kennen und einüben. Und wenn es immer mehr Informationen zu lesen gibt, sollte das mit effizienten Techniken gemacht werden. Beides stellt auf die Änderung von Gewohnheiten ab. Hier genügt kein Vortrag oder Info-Blatt. Sondern man muss es eintrainieren.

Es gibt viele Dinge, die man während des Arbeitsalltags am Bildschirm für seine Augen tun kann. Zudem geht das schnell und unkompliziert. Von der richtigen Bildschirmeinstellung über Nutzung hilfreicher Tools bis hin zu wirkungsvollen Entspannungsübungen. Das erleichtert die Arbeit und belastet weniger die Gesundheit.    

Darüber hinaus ist es zu kurz gesprungen, wenn man sich nur mit der Verarbeitung von digitalen Informationen beschäftigt, ohne auf ihre Entstehung einzugehen. Etwa 70% der Kommunikation in einer Organisation ist intern. Die meisten Texte, die man liest, wurden von Kolleginnen und Kollegen oder von Vorgesetzten geschrieben. Die Qualität dieses Inputs hat einen hohen Einfluss auf die Effizienz der Verarbeitung bei den Adressaten. Wenn alle schnell und strukturiert auf den Punkt kommen, löst es einen exponentiellen Effekt auf die gesamte Organisation aus.

Fazit:

Digitalisierung ist nicht nur eine IT-Aufgabe. Sie betrifft im gleichen Maße Personalentwicklung, Betriebs-/Personalrat sowie das betriebliche Gesundheitswesen.

Der zentrale Punkt beim Umgang mit den Auswirkungen der Digitalisierung ist, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Ihren Sorgen abzuholen. Was bedeutet „Digitalisierung“ konkret für unsere Organisation? Wie wirkt sie sich auf unsere künftige Arbeitsweise aus? Wie betrifft das den Einzelnen?

Neben einer ausführlichen Schulung zu eingesetzten IT-Anwendungen, ist die Schnittstelle Mensch/IT zu berücksichtigen. Man muss neue, effiziente Gewohnheiten und Arbeitstechniken eintrainieren. Die Auswirkungen auf die Gesundheit sind dabei zu berücksichtigen und praktische Hilfestellung für den Arbeitsalltag ist zu leisten. Ein besonderer Zusatznutzen lässt sich erreichen, wenn durch richtiges Verfassen von Informationen auch die Kommunikation innerhalb der Organisation optimiert wird.


Peter Stonn war Unternehmensberater und leitet ein Software-Unternehmen mit dem Schwerpunkt e-Learning. Er entwickelt Konzepte zum Umgang mit der Digitalisierung am Arbeitsplatz in Unternehmen und Behörden. Zudem bietet er Präsenz- und Online-Trainings zur Lese-Effizienz an.